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Jahresabschlussrede der CDU-Fraktion im Jahr 2020



Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung, liebe Bürger,


in diesem Jahr ist es der CDU-Fraktion zugefallen, die Jahresabschlussrede zu halten. Gar keine leichte Aufgabe in einem Jahr, welches wir stellenweise wie im Ausnahmezustand verbracht haben.


„Ich bin überzeugt: Wir haben gute Gründe, zuversichtlich zu sein, dass die in wenigen Stunden beginnenden 20er Jahre des 21. Jahrhunderts gute Jahre werden können – wenn wir unsere Stärken nutzen, wenn wir auf das setzen, was uns verbindet, wenn wir uns daran erinnern, was wir in den letzten Jahrzehnten gemeinsam erreicht haben“, so zuversichtlich und optimistisch hat unsere Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel das Jahr in ihrer Neujahrsansprache zum 1. Januar 2020 begrüßt. Zwar hatte sie recht, wusste aber noch nicht, dass zum damaligen Zeitpunkt bereits ein Virus auf dem Weg nach Europa war, der alle unsere Lebensbereiche in diesem Jahr beeinflussen sollte.


Viele Millionen Bürger saßen am 18. März vor dem Fernseher und waren wohl gleichermaßen gespannt und aufgeregt, als die Bundesregierung die Entwicklungen rund um das Coronavirus als eine Herausforderung von "historischem Ausmaß" einstufte. Die EU verhängte einen Einreisestopp und das Auswärtige Amt begann eine Rückholaktion für zirka 200.000 deutsche Urlauber aus dem Ausland – und dem Vernehmen nach sind auch mehrere Gemeinderäte mit dem sprichwörtlich „letzten Flieger“ kurz vor dem Corona-Lockdown nach Nürtingen zurückgekommen. Seit der CDU-Fraktion im Nürtinger Gemeinderat letzten Märzwoche sind wir alle dazu aufgerufen, soziale Kontakte zu minimiert, Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten. Seit April ist das Tragen eines Mund- und Nasenschutzes angesagt. Seit ein paar Tagen gelten nächtliche Ausgangssperren. Dinge, die uns vor einem Jahr noch wie Science-Fiction vorgekommen wären und sich auch aktuell noch wie Science-Fiction anfühlen.


Zwar sind wir in Nürtingen bisher noch recht gut durch die Coronazeit gekommen, dennoch gab es auch in Nürtingen große Einschnitte. Eigentlich wollten wir am 16. Mai 2020 gemeinsam den Nürtinger Maientag feiern. Viele Gäste von nah und fern freuten sich bereits auf ein vielfältiges Programm zum 250. Geburtstag von Friedrich Hölderlin. Doch die für den 20. März, direkt an Hölderlins Geburtstag geplante Hölderlin-Revue musste ebenso entfallen wie das Public Viewing bei der diesjährigen Europameisterschaft.


Der Gemeinderat konnte coronabedingt nicht zur jährlichen Waldbegehung. Trotzdem hat uns der in der letzten Ausschusssitzung vorgetragene Waldbericht von Forstrevierleiter Höhn, der insb. das Waldsterben durch die langen Trockenzeiten in den letzten beiden Jahren zum Thema hatte, zum Nachdenken veranlasst. Viele Abschlussschüler mussten in diesem Jahr auf die Abschlussfahrt verzichten, Abschlusszeugnisse wurden mit zwei Meter Abstand überreicht und die dazugehörigen Feierlichkeiten fanden online statt. Läden mussten schließen, selbstständige – trotz diverser Fördermöglichkeiten – ihre Renteneinzahlungen z.T. aussetzen. Auch unsere Nürtinger Schulen und Kindergärten, der Sport, Einzelhandel und Gastronomie waren und sind noch vor den Einschränkungen rund um Corona betroffen.


Daher war es in diesem Jahr sicherlich gut, dass wir den Haushaltsplan für das bald ablaufende Jahr noch in einer kurzfristig anberaumten Sondersitzung des Gemeinderates kurz vor dem Corona-Lockdown im Frühjahr beschließen konnten. Die Verwaltung war damit während der gesamten Monate handlungsfähig.


Umso schöner war es aber zu sehen, wie wir zusammen direkt nach dem Corona-Lockdown um Lösungen gerungen haben, die Folgen der Corona-Krise in Nürtingen abzumildern. Aussetzung von Kinderbetreuungs- und Außenbewirtschaftungsgebühren, Weiterbeschäftigung von Externen und kommunale Unterstützungsmaßnahmen haben wir diskutiert und gemeinsam beschlossen. Diese Themen müssen wir sicherlich auch im neuen Jahr 2021 erneut aufgreifen.


Insgesamt hat der Gemeinderat untereinander und zusammen mit der Verwaltung wieder ausgiebig und lange getagt. In 13 Gemeinderats- und 27 Ausschusssitzungen wurden 496 Tagesordnungspunkte aufgerufen. Zusammen verbrachten wir in diesem Jahr zirka 150 Stunden in Gemeinderats- und Ausschusssitzungen, was zirka vier Arbeitswochen entspricht. Sicherlich hat der Großteil der TOPs auch seine Berechtigung, ich glaube trotzdem wir würden uns alle wünschen, dass wichtige Themen ausführlicher beraten und Formalia schnell abgehandelt werden könnten. Ab und an ist es auch so, dass wir im Gemeinderat, trotz langer Diskussion, von geänderten Rahmenbedingungen eingeholt werden.


Die Nürtinger „Heizpilzdiskussion“, die wir zusammengeführt haben, hat uns zwar alle in die Welt der behördlichen Genehmigungsobliegenheiten mitgenommen, war aber inhaltlich schnell Makulatur, als der „Lockdown light“ beschlossen wurde. Gleichzeitig war alles Training von meinem Fraktionskollegen Andreas Deuschle für die Titelverteidigung beim Silvesterwiegen in diesem Jahr umsonst – da auch das Silvesterwiegen und seine Titelverteidigung um den Preis des schwersten Nürtingers entfallen wird. Der Onlineersatz ist hier sicherlich nur ein kleiner Trost.


Im letzten Jahr hat meine Kollegin Julia Rieger im Rahmen Ihrer Jahresabschlussrede in die Glaskugel geschaut und ein Zukunftsszenario für Nürtingen aufgezeigt. Doch auch die Glaskugel konnte Corona nicht erahnen und wer hätte vor einem Jahr noch gedacht, dass wir ein Jahr ohne gemeinsamem weihnachtlichen Jahresabschluss mit Gemeinderat und Verwaltung verbringen werden.


Der Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx wurde vor einiger Zeit gefragt, wann Corona denn „vorbei sein wird” und alles wieder zur Normalität zurückkehrt. Seine Antwort „Niemals“ kam für viele überraschend. Er ergänzte weiter „Es gibt historische Momente, in denen die Zukunft ihre Richtung ändert. […] Diese Zeiten sind jetzt.“ Zugegebenermaßen mag das Zitat etwas hochgestochen erscheinen, ich denke aber im Kern trifft es zu und trotz aller Einschränkungen und schlechten Nachrichten sollten wir alle versuchen, das Beste aus der aktuellen Situation zu machen, denn die aktuelle Situation bringt auch Chancen, die wir clever nutzen können.


Corona hat sicherlich einige Entwicklungen beschleunigt oder wird dies in der kommenden Zeit tun. Neue Arbeitswelten, digitale Arbeit und Bildung und ein Fokus auf das lokale und ökologische Einkaufen sind exemplarische Themen, die vor Corona bereits diskutiert, aber oftmals wenig gelebt, in diesem Jahr aber Realität wurden.


Viele Nürtinger waren in diesem Jahr zum ersten Mal im Homeoffice tätig. Der Aktienkurs des online Meeting Anbieters Zoom verssechstfachte daraufhin seinen Kurs in Jahresfrist – natürlich nicht nur wegen den Nürtingern. Doch was heißt dies für unsere Stadt? Mehr Personen, die aus dem Homeoffice heraus arbeiten bringen auch eine höhere Kaufkraft nach Nürtingen, da sie in Nürtingen Vor-Ort sind. Diese Entwicklung kann für Nürtingen auch zur Chance werden.


Insgesamt war „online“ dieses Jahr voll im Trend. Am Anfang eher aus der Not geboren, im Jahresverlauf dann doch mit Freude gelebt. Online Hauptversammlungen der Nürtinger Vereine, online Ausschuss- und Arbeitskreissitzungen sowie online Fraktionssitzungen der Nürtinger Gemeinderatsfraktionen wurde in diesem Jahr stellenweise erstmalig abgehalten. Diskussionen konnten online weiterhin geführt werden, man half sich bei dem oder anderen technischen Problem – sei es Bild oder Ton und lernte gewissermaßen beiläufig die stellenweise mehr oder weniger geschmackvolle private Wohneinrichtung der Teilnehmer an „Online-Veranstaltungen“ kennen. Auch hierdurch sind wir alle eher mehr zusammengerückt, trotz Abstandsgebot.


Das Gebot, soziale Kontakte zu reduzieren, war zwar die Auflagen des „Corona-Jahres“ aber nicht zwingend gleichzusetzen mit einer sozialen Isolation. Die Solidarität in Nürtingen ist ungebrochen hoch. Dies zeigt sich bspw. an den Einkaufsinitiativen, die sich während des ersten Corona-Lockdowns gegründet haben, an den vielen Ehrenamtlichen, die im Rettungsdienst ihren Beitrag zur Überwindung Corona-Krise leisten. Nicht zuletzt aber auch an den vielen Personen, die die Einschränkungen mittragen. Auf Solidarität wird es nun auch in den kommenden Wochen ankommen.


Sicherlich mussten Viele, viele Einschränkungen in diesem Jahr in Kauf nehmen, dennoch können wir optimistisch sein. Auch Gemeinderat und Stadtverwaltung können stolz sein, was in Nürtingen im letzten Jahr erreicht wurde. Die sanierte Fußgängerzone lädt im kommenden Jahr zum Einkaufen und verweilen ein und hat seit diesem Jahr auch eine öffentliche Toilette. Durch weitere gastronomische Angebote und das neu entstehende Einkaufszentrum NT wird die Fußgängerzone und die Innenstadt auch in Zukunft gestärkt.


Die ganz massiven Investitionen in Kinderbetreuung und Bildung, die wir auch im aktuellen Haushaltsplan dokumentieren, sind richtig und finden auch breite Mehrheiten in diesem Gremium, dennoch sollten wir auch hier die Entwicklungen, die Corona beschleunigt hat, nicht vergessen. Das in diesem Jahr eröffnete „Haus der Künste“ stärkt das Kulturprofil der Stadt.


Auch wenn die Kostenentwicklung beim Hölderlinhaus niemand gefällt, die Sanierung hat nun begonnen und wird dauerhafte Frequenz in die Innenstadt bringen. Die Fertigstellung des Hölderlinhauses nach dem 250. Geburtstag von Hölderlin hat sich vor einem Jahr noch nach einer „Nürtinger Posse“ angehört, durch Corona und den nachzuholenden Festakt zu Ehren von Friedrich Hölderlin fügt sich auch diese Zeitplanung wohl zum Guten.


Aus den Haushaltsberatungen und anderen Stellungnahmen in diesem Jahr habe ich mitgenommen, dass keine wichtige Rede im Jahr 2020 ohne tragendes Hölderlinzitat auskommt und wahrscheinlich hätte uns der Blick in Achim Maiers Hölderlinzitatesammlung viele hitzigen Diskussionen über den Zeitplan beim Hölderlinhaus erspart, wenn wir auf folgendes Hölderlinzitat etwas eher gekommen wären: „Der Apfel fällt, wenn er nicht krank ist, erst vom Stamm, wenn er reif ist.“ Und so kann es der Zufall nun ergeben, dass das Hölderlinhaus reif ist, sobald wir die verschobene Geburtstagsfeier für Friedrich Hölderlin nachfeiern können. Vielleicht können wir diesen Zufall mit einem kleinen „Schmunzeln“ hinnehmen und die Diskussionen rund um den Zeitplan zur Fertigstellung damit vergessen.


Auch im kommenden Jahr freuen wir uns alle auf gereifte Projekte, müssen aber auch an einige Themen unbedingt angehen:


- Die Brandkatastrophe in der Schafstraße, die uns allen noch im Bewusstsein ist, hat uns gezeigt, unter welchen Bedingungen Wohnraum vergeben wird. Die Wohnraumentwicklung wird damit auch im kommenden Jahr wichtig sein;


- Auch wenn die Enttäuschung über den abermals ausgebliebenen Zuschlag bei der Landesgartenschau noch vorhanden ist, werden wir sicherlich auch im kommenden Jahr an der Vision der Stadt am Fluss weiterarbeiten;


- Die Schaffung von Wohnraum in allen Preislagen muss im kommenden Jahr wieder aktiver diskutiert werden. Durch das neue Amt für Wirtschaftsförderung, Liegenschaften und Bürgerbeteiligung sehen wir uns gut gerüstet, die Liegenschaftsverwaltung neu aufzustellen.


Dies sind nur einige Themen, die uns sicherlich in den kommenden Monaten beschäftigen werden.


Ich hatte eingangs gesagt, dass viele von Ihnen in diesem Jahr Einschränkungen getragen. Aktuell sehen wir uns wieder mit hohen Infektions- und Todeszahlen konfrontiert – doch gleichzeitig ist mit dem nun vorhandenen Corona-Impfstoff ein Licht am Ende des Tunnels im Blick. Dennoch wird das diesjährige Weihnachtsfest und auch Silvester anders ablaufen als gewohnt und aus diesem Grund hat Ihnen die CDU-Fraktion eine kleine vorfrankierte Postkarte mit Nürtinger Stadtmotiv ausgeteilt.


Bestimmt haben Sie in diesem Jahr Familienangehörige oder Freunde, die Sie normalerweise zum Jahresende sehen, coronabedingt in diesem Jahr aber nicht sehen können. Evtl. treffen Sie sich am Jahresende immer mit Ihren ehemaligen Schul- oder Berufskollegen, was in diesem Jahr ebenfalls entfallen muss. Ganz sicher kennen Sie Personen, denen Sie für deren Einsatz in den letzten Monaten einen Gruß zukommen lassen wollen, weil diese bspw. wie unser medizinischen Personal, einen hohen Einsatz zur Bekämpfung der Pandemie geleistet haben. Nutzen Sie die vorfrankierte Postkarte mit Nürtinger Stadtmotiv und lassen diesen Personen einen Gruß zukommen.


Vielleicht wollen Sie die Karte aber auch dafür verwenden, einem Nürtinger Gastronomiebetrieb eine Tischreservierung für Ihren Geburtstag im kommenden Jahr zuzusenden. Auch das wird im kommenden Jahr wieder möglich sein. Wenn Sie auf der Vorderseite der Karte, die die Stadtansicht von Nürtingen zeigt, einen kleinen Pfeil aufmalen wollen, dort „Stadtbalkon“ eintragen und dem Kartenempfänger einen Terminvorschlag für ein gemeinsames Treffen zwischen dem 18. Juni 2021 und dem 12. September 2021 nennen, dann würde sich hierüber bestimmt nicht nur der Kartenempfänger, sondern auch unser Oberbürgermeister freuen.


Bestimmt kennen Sie aus Großbritannien die Weihnachtstradition beim Christmas- oder Plumpudding eine Silbermünze in die Süßspeise zu geben, die demjenigen, der das Stück mit der Münze erhält, Reichtum im kommenden Jahr verspricht. Aktuell würde man sich wohl eher Gesundheit, anstatt Reichtum wünschen.


Sehen Sie es daher eher als symbolische Geste, dass die CDU-Fraktion in drei Umschläge einen Einkaufsgutschein für den Nürtinger Einzelhandel gegeben hat. Die drei Personen, die den Gutschein erhalten haben, können diesen zwar nicht mehr in diesem Jahr, aber ganz sicher mit viel Freunde im kommenden Jahr einlösen.


In diesem Sinne wünsche ich Ihnen frohe Weihnachtstage, einen guten Rutsch in das neue Jahr 2021 und viel Gesundheit.


Prof. Dr. Matthias Hiller

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