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Kiesewetter: „Putin kann seiner Bevölkerung nicht mehr ins Gesicht schauen“


Der Angriff Russlands auf die Ukraine hält alle in Atem. In beispielloser Solidarität und Entschlossenheit begegnen die Europäische Union mit den USA und vielen weiteren Staaten dem Ziel Putins, das zweitgrößte Land Europas, die Ukraine, in seinen Machtbereich einzuverleiben. Der CDU-Stadtverband Nürtingen hat gemeinsam mit den CDU-Verbänden Filderstadt und Neuffener Tal zu einer Videokonferenz mit dem Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter eingeladen. Kiesewetter ist Oberst a.D. und war in seiner aktiven Offizierslaufbahn u.a. im NATO-Hauptquartier in Mons (Belgien) eingesetzt. Seit 2009 gehört er dem Deutschen Bundestag an, wo er Obmann im Auswärtigen Ausschuss ist. An der Veranstaltung nahmen auch der Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich und die Landtagsabgeordnete Dr. Natalie Pfau-Weller teil.


Der CDU-Vorsitzende Dr. Matthias Hiller eröffnete die Webveranstaltung mit einem Bekenntnis zur Solidarität mit den Menschen in der Ukraine. „Wir hatten alle gehofft und darauf vertraut, dass wir die Methoden des letzten Jahrhunderts in Europa nicht mehr erleben müssen.“


Kiesewetter stellte zunächst die bisherigen militärischen Maßnahmen in einen Zusammenhang. Der russische Angriff verlaufe schleppender als gedacht. Im Einsatz seien vorwiegend Wehrpflichtige, die aus einer Übung nahe der ukrainischen Grenze herausgenommen wurden. Dass der Angriff früh vorbereitet wurde, zeige die Tatsache, dass bereits im Januar Blutkonserven zu den Truppen ausgeliefert wurden.


Der Angriff sei in einem Machtvakuum im Westen erfolgt: US-Präsident Biden sei unter Druck, in Deutschland fand ein Regierungswechsel statt und in Frankreich stehe im Frühjahr die Präsidentschaftswahl vor der Türe. Putin halte den Westen für schwach und war der Meinung, dass die USA und die EU nicht zu weitreichenden Maßnahmen in der Lage seien.


Die Ukraine war seit seiner Unabhängigkeit bis 1994 als ein Erbe der ehemaligen Sowjetunion die drittgrößte Atommacht der Welt. Sie habe vertraglich auf diese Waffen verzichtet, indem ihr gleichzeitig von Russland sowie den USA und Großbritannien die territoriale Unversehrtheit und Souveränität zugesichert wurde.


Diese Grenzzusicherung sei bereits 2014 verletzt worden, als die Krim annektiert und Teile des Donbas besetzt worden seien. Mit dem Angriff auf die ganze Ukraine habe Putin das Abkommen endgültig zerrissen und die europäische Sicherheitsordnung wie das Völkerrecht massiv verletzt.

Die Folge seien fünf bis sieben Millionen zu erwartende Vertrieben, wobei insbesondere die osteuropäischen Staaten solidarisch mithelfen, diese humanitäre Katastrophe zu bewältigen. Wer persönlich helfen wolle, könne dies über die bekannten Landesorganisationen der Rettungsdienste tun. Polen hatte bereits 2014 nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim über 1 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer aufgenommen.


Eine große Herausforderung sieht Kiesewetter in der Gas-Abhängigkeit Deutschlands von Russland. 55 Prozent unseres Gasbedarfs decken wir über Russland. Kurzfristig sei hier norwegisches und amerikanisches Gas die Alternative, mittel- und langfristig der Ausbau der erneuerbaren Energien. Deutschland müsse sich von der Gasabhängigkeit lösen und seinen Energiebedarf weitgehend selbst decken, insbesondere die Versorgung diversifizieren.


Eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine steht Kiesewetter grundsätzlich positiv gegenüber, wenngleich diese eigentlich an bestimmte Voraussetzungen und ein Aufnahmeverfahren geknüpft sei. Dieses Verfahren sollte man nicht verlassen. Die Bereitschaft dazu sollte die EU auch konkret ausdrücken.

Der Sicherheits-Experte betonte, dass Putin kaum mehr die Möglichkeit zu einer gesichtswahrenden Lösung habe und er könne „seiner Bevölkerung nicht mehr ins Gesicht schauen “. Er stehe an der Wand und könnte zu unkontrollierbaren Reaktionen gedrängt werden. Sicherlich werde er versuchen, den Konflikt in die Länge zu ziehen, um die Geschlossenheit der EU aufzubrechen. Denn mit der Geschlossenheit und Härte des Westens hat Putin nicht gerechnet.


Die von Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigten Sanktionsmaßnahmen und das 100-Milliarden schwere Sonderprogramm für die Bundeswehr werden von ihm und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt. Er sei froh, dass nun endlich ein Umdenken in der Außen- und Sicherheitspolitik stattfinde.

Kiesewetter räumte auch mit der Mär auf, die NATO bedrohe Russland: „Östlich der Elbe, also auf dem ehemaligen Gebiet des Warschauer Paktes steht keine einzige Atomwaffe der NATO.“ Zwar seien verschiedene mittel- und osteuropäische Staaten diesem freien Staatenbund beigetreten. Atomwaffen oder atomwaffentragende Flugzeuge seien dort aber nicht stationiert worden. Es sei die Entscheidung eines jeden Staates, über seine Sicherheit selbst zu bestimmen. Die NATO-Osterweiterung sei also legitim und berücksichtige den Wunsch dieser Länder auf Sicherheit. Kiesewetter: „Diese Länder haben offensichtlich deutlich früher als wir begriffen, welch Geistes Kind Putin ist.“ Die einzige Bedrohung für Putin sei das Demokratie- und Freiheitsstreben der Bevölkerung.


Kiesewetter befürchtet, dass Putin weitergehen könnte, so sei Moldawien ein mögliches nächstes Ziel: „Das Land ist durch die russische Abspaltung von Transnistrien bereits destabilisiert.“ Putin bestehe zudem darauf, dass die baltischen Staaten aus der NATO austreten. Dies werde die NATO natürlich nicht zulassen. Mit dem angekündigten Beitritt von Finnland und möglicherweise auch Schwedens ziehen weitere Staaten Konsequenzen. Finnland erfahre bereits heute zahlreiche Grenzverletzungen russischer Kampfjets.


„Wir müssen mit schlimmen Folgen rechnen, das Leid in der Ukraine ist unvorstellbar. Deshalb ist es unsere Pflicht als Europäer mit allen Möglichkeiten zu helfen und zu unterstützen“, so Kiesewetter abschließend.


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